Barrierefreiheit und Nachhaltigkeit werden oft als separate Themen behandelt, doch wenn man genauer hinsieht, dann haben sie mehr miteinander zu tun, als man im ersten Moment denkt. Beide zielen darauf ab, langfristig nutzbare Lösungen zu schaffen.
Drei-Säulen-Modell und Vorrangmodell
Das Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung bezeichnet die Theorie, dass eine nachhaltige Entwicklung nur durch die Rücksichtnahme von ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielen sichergestellt werden kann.
Beim Vorrangmodell geht man von einer Abhängigkeit aus: keine Wirtschaft ohne Gesellschaft und keine Gesellschaft ohne Umwelt.
In beiden Modellen sind Soziales und Umwelt miteinander verknüpft. Aber wie lässt sich das auf Webseiten übertragen?
Nur wenn wir als Gesellschaft Webseiten ökologisch (geringe Datenlast), sozial (barrierefrei) und ökonomisch (langlebig) gestalten, dann können wir uns nachhaltig entwickeln.
Nachhaltigkeit umfasst nicht nur Ökologie, sondern auch soziale Gerechtigkeit. Eine Website, die Menschen mit Behinderungen ausschließt, ist in diesem Sinne nicht nachhaltig.
Ökologischer Fußabdruck
Der erste Punkt, auf den man stößt, wenn man nach nachhaltigen Websites sucht, ist, dass sie einen möglichst kleinen Fußabdruck haben sollen; sprich eine geringere CO2-Bilanz durch einen geringen Datenverbrauch. Da sind wir an einem Punkt, der sich mit dem Thema Barrierefreiheit häufig überdeckt.
Animationen
Barrierefreie Webseiten verzichten auf unnötige Animationen. Animationen sind nicht verboten, aber wenn sie länger als 5 Sekunden dauern, sollten sie anhaltbar sein (WCAG 2.2.2). Animationen können ablenken und bei starkem Blinken im schlimmsten Fall epileptische Anfälle auslösen. Im Allgemeinen empfinde ich es so, dass barrierefreie Webseiten weniger Schnickschnack und Ablenkungen enthalten.
Für unnötige Animationen muss zusätzlicher Code geladen werden, der den ökologischen Fußabdruck der Webseite vergrößert.
Übersichtliche Navigation
Wie sorge ich dafür, dass meine Besucher:innen möglichst schnell an ihr Ziel kommen und damit weniger Ressourcen verbrauchen? Eine übersichtliche Navigation und eine klare Überschriftenstruktur. Das ist zufälligerweise auch ein sehr großer Punkt in Sachen Barrierefreiheit. Auch sollten die Inhalte klar und deutlich vermittelt werden.
Wenn auf einer Webseite viele Barrieren sind, dann sind für gewöhnlich die Support-Anfragen hoch, Besucher:innen suchen lange umher oder geben frustriert auf. Alles nicht sehr nachhaltig.
Langlebigkeit durch Universelles Design
Viele Websites werden nach kurzer Zeit überarbeitet oder neu gebaut, weil sie veraltete Technologien nutzen oder nicht flexibel genug sind. Barrierefreies Webdesign arbeitet von Anfang an nutzerzentriert. So können Websites länger genutzt werden und brauchen nicht nach kurzer Zeit eine Überarbeitung.
Fonts
Es wird für barrierefreie Webseiten empfohlen, nur 1-2 Fonts zu nutzen und insbesondere keine Kalligraphie-Schriftarten. Gute Lesbarkeit ist ein wichtiger Punkt. Zugleich bewirkt das, dass weniger Fonts geladen werden müssen, somit hat die Webseite einen geringeren Fußabdruck.
Videos, Bilder
Videos brauchen Untertitel und Bilder Alternativ-Texte, die den Inhalt beschreiben. An und für sich gibt es aber keine Vorgabe, dass barrierefreie Webseiten nicht so viele Bilder und Videos enthalten dürfen. Dennoch beobachte ich, dass Bilder und insbesondere Videos mehr mit Bedacht eingesetzt werden. Wenn ich Alt-Texte und Untertitel erstelle, dann überlege ich mir genau, welche Bilder und Videos sinnvoll sind. Selbst, wenn ich rein dekorative Fotos nutze, fühlt es sich nach einer bewussteren Entscheidung an.
Zudem gibt es nicht die “trendy” Hintergrundvideos in der Hero-Section (oben, das erste was du auf der Website siehst). Sie sind ein Albtraum für sowohl Barrierefreiheit als auch Nachhaltigkeit.
Informationsvermittlung
Wenn ich Informationen zur Verfügung stellen möchte, dann gibt es dafür mehrere Wege. Aber welche ist der nachhaltigste und kann von den meisten Menschen genutzt werden? Sind es Papierprodukte (Flyer, Plakate, Postwerbung) oder eben doch Webseiten? Lass uns gemeinsam einen Ausflug machen und die beiden Optionen vergleichen.
Wir gehen in diesem Beispiel davon aus, dass ein Flyer eine Person erreicht, genauso wie der Aufruf einer Webseite.
Nachhaltigkeit
Ökologische Bilanz von Papierprodukten
Es ist gar nicht so einfach, konkrete Zahlen für Papierprodukte herauszufinden, da das von vielen verschiedenen Faktoren abhängt: Größe, Papierart, Druckverfahren und Transport.
Flyeralarm sagt in ihrem Infoblatt folgendes:
Wir vergleichen den CO2-Ausstoß beim Druck von 1.000 Faltblättern, 135g Bilderdruckpapier, DIN A4, Wickelfalz
Herstellung als Einzelauftrag in einer mit modernen Maschinen ausgestatteten Akzidenzdruckerei
CO2-Ausstoß gesamt ca. 74 kg
Herstellung im Sammeldruckverfahren bei flyeralarm CO2-Ausstoß gesamt ca. 22,64 kg
Hier wird zwar nicht der Transport mit eingerechnet, aber für diesen Zweck nehmen wir die Zahlen. Wir nehmen also an, dass ein Flyer ca. 23-74g CO2-Ausstoß verursacht.
Ökologische Bilanz Webseite
Wie groß ist der ökologische Fußabdruck einer barrierefreien Website? Dazu habe ich keine Zahlen, aber wir können einmal meine Seite nehmen. Pro Aufruf werden 0,06g CO2-Äuqivalente verbraucht.
Quelle: https://www.websitecarbon.com/website/ideenquelle-webdesign-de/, getestet am 16.08.2025
Die (global betrachtet) durchschnittliche Webseite verursacht laut websitecarbon.com ca. 0,36g CO2-Äquivalente pro Aufruf.
Fazit Nachhaltigkeit von Papierprodukten und Webseiten im Vergleich
Wir sind bei dem Flyer bei mind. 22,64g CO2 und bei einer durchschnittlichen Webseite bei 0,36g CO2-Äquivalenten. Wir haben also ungefähr einen Faktor von 100 dazwischen.
Selbst wenn wir von dem nachhaltigsten Flyer und einer sehr schlechten Webseite ausgehen, liegt die Webseite vorne.
Barrierefreiheit
Barrierefreiheit von Papierprodukten
Dieser Punkt ist sehr einfach: für Menschen, die blind sind oder eine Sehbehinderung haben, sind Papierprodukte kaum bis gar nicht nutzbar. Es gibt Braille, aber ich habe noch keinen einzigen Flyer mit Braille gesehen. Visitenkarten hingegen schon, aber nur von Menschen aus der Barrierefreiheits-Bubble. Ich habe auch welche erstellt, die nachhaltig und barrierefrei sind.
Barrierefreiheit von Webseiten
Die meisten Webseiten sind nicht barrierefrei. Das ist ein Fakt. Aber es ist möglich, Webseiten barrierefrei zu machen, sodass die meisten Menschen sie nutzen können, auch Menschen mit Sehbehinderung, motorischen Einschränken, Neurodiversität oder eine andere Behinderung haben.
Fazit Barrierefreiheit von Papierprodukten und Webseiten im Vergleich
Beim Thema Barrierefreiheit gewinnen eindeutig die Webseiten, da bei Papierprodukten Menschen mit Sehbehinderung von vornherein ausgeschlossen sind.
Fazit
Was hat Nachhaltigkeit mit Barrierefreiheit zu tun? Ziemlich viel:
- Beides sind soziale Themen, die Hand in Hand gehen. Nachhaltigkeit ist ein soziales Thema, genau wie Barrierefreiheit.
- Viele Wege, um den ökologischen Fußabdruck einer Webseite zu verringern, sind gleichzeitig Punkte im Bereich Barrierefreiheit.
- Es ist sowohl nachhaltiger als auch barrierefreier, eine Website für die Verbreitung von Informationen zu nutzen, im Vergleich zu Flyern.
Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass eine nachhaltige Webseite auch barrierefrei sein sollte und eine barrierefreie Webseite in den meisten Fällen auch nachhaltiger ist als die durchschnittliche Webseite.
Wenn du das auch so siehst, dann melde dich bei mir und wir schauen gemeinsam, wie wir deine Webseite nachhaltig und barrierefrei machen.